Einmal von der Erde zum Mond und wieder zurück: Das ergibt eine Strecke von ungefähr 780.000 Kilometern. Was das mit unserem Nervensystem zu tun hat? Es kommt, würde man alle Nervenfasern hintereinanderlegen, in etwa auf diese Länge. Verrückt, oder? Aber scheinbar auch nötig, damit das Nervensystem so Erstaunliches leisten kann, wie auf äußere Reize reagieren und körpereigene Funktionen steuern. Doch ganz allein auf sich gestellt wäre es gänzlich aufgeschmissen. Es braucht das Gehirn als clevere Schaltzentrale. Das Organ sammelt, bewertet und verarbeitet Informationen. Klingt komplex? Ist es auch. Die Komplexität dieses ausgeklügelten Systems bedingt auch, dass es anfällig ist für Störungen und selbst heute noch – trotz intensiver Forschung – Wissenschaftler zum Grübeln bringt. Längst sind nicht alle Rätsel um Mechanismen, Zusammenhänge und Ursachen für Fehlfunktionen gelöst. Doch jede neue Erkenntnis ähnelt dem ersten Schritt eines Menschen auf dem Mond: Denn selbst ein kleiner Schritt in der Forschung, ist ein großer Sprung für Patienten neurologischer und psychischer Erkrankungen – im Sinne neuer Diagnostikmethoden und wirkungsvoller Therapien, und möglicher Heilung.
Awareness für Erkrankungen des Nervensystems schaffen
Es gilt aber auch das Bewusstsein zu schärfen für psychische und neurologische Erkrankungen, das Verständnis zu fördern, um somit zu einer früheren Diagnosestellung und besseren Therapieoptionen beizutragen. Dazu dienen zum Beispiel nationale und internationale Aktionstage, die für Aufmerksamkeit für bestimmte Krankheitsbilder in der Öffentlichkeit sorgen – wie der „World Brain Day“, der in diesem Jahr die Migräne in den Fokus rückte, der Welttag der Suizidprävention oder der Welt-Parkinson-Tag. Obwohl die Prävalenz der chronisch fortschreitenden Parkinson-Krankheit zunimmt – inzwischen ist sie die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung – und es prominente Beispiele wie den US-Schauspieler Michael J. Fox gibt, besteht größtenteils Unwissenheit über die Krankheit in der Bevölkerung: Laut einer Umfrage der „European Parkinson’s Disease Association“ (EPDA) wusste fast die Hälfte der Befragten nicht, wie weit Parkinson verbreitet ist und unter welchen gravierenden Beschwerden, nämlich neben den motorischen auch vegetative und psychische Störungen, Betroffene zu leiden haben. Fest steht: Nur wer gut informiert ist, ist in der Lage, bestimmte Frühwarnzeichen zu erkennen und richtig zu deuten. So besteht die Chance auf eine frühere Diagnose – und Therapie. Das gilt auch für Mediziner. Denn so dauert es beispielweise oft Jahre, bis Narkolepsie-Patienten ihre Diagnose erhalten, viele Migräniker werden mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen, und kommen nicht in den Genuss einer adäquaten Therapie, die es für Betroffene gibt.
Wichtig: Grundlagenforschung
Viele Krankheiten geben Forschern immer noch Rätsel auf, wenn es um die genauen Ursachen geht. So können moderne Therapien inzwischen zwar gut die Symptome lindern, das ist die gute Nachricht. Aber nicht die Ursache der Krankheit bekämpfen, das ist die schlechte Nachricht. Bedeutet: keine Heilung. Allerdings gibt es viele spannende und vielversprechende Forschungsansätze und somit mögliche Angriffspunkte für Therapien, die zielgerichtet vorgehen. „An den Fortschritten krankheitsmodifizierender und sogar ursächlicher Therapien der Parkinson-Erkrankung zeigt sich, welche Relevanz die Grundlagenforschung in der Neurologie hat. Sie ist notwendig für die Entwicklung einer personalisierten Präzisionsmedizin, die zielgerichtet in die Erkrankungskaskade eingreifen kann und hoffentlich in wenigen Jahren zu einem Durchbruch in der Parkinsontherapie führen wird“, so Prof. Dr. Christine Klein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).
Den Ursachen auf den Grund gehen
Fehlfunktionen von Gehirn und Nervensystem können durch eine ganze Reihe an Faktoren hervorgerufen werden, seien es äußere Einflüsse, genetische Veranlagungen oder ein fehlgesteuertes Immunsystem, oder auch eine Kombination aus verschiedenen Faktoren. So weiß man, dass bei Suchtkranken neben einer erblichen Vorbelastung unter anderem auch psychologische Faktoren – Stichwort Belohnungssystem – und gesellschaftliche Einflüsse eine Rolle spielen. Auch eine Depression, an der jede vierte Frau und jeder achte Mann im Laufe des Lebens erkrankt, lässt sich selten auf nur eine Ursache zurückführen. Dementsprechend wichtig ist nicht nur eine gründliche Anamnese beim Spezialisten, sondern auch eine individuell auf den jeweiligen Patienten ausgerichtete Therapie.