Sei es das Glas Wein beim Restaurantbesuch, das Anstoßen mit Sekt auf den neuen Job oder ein feuchtfröhlicher Junggesellinnenabschied: Trotz des erheblichen Suchtfaktors ist Alkohol als Genussmittel in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert. Alkoholismus hingegen wird in der Gesellschaft mit Randgruppen assoziiert, und die Betroffenen werden oft stigmatisiert. Dabei kann jede Person vom „Entspannungsglas“ am Abend langsam in die Abhängigkeit rutschen. In Deutschland kommt auf drei alkoholabhängige Männer eine alkoholabhängige Frau. Mit Blick auf das aktuelle Konsumverhalten könnte sich diese Entwicklung verstärken.
Riskanter Alkoholkonsum
Ein Indikator dafür ist der sogenannte riskante Alkoholkonsum. Dieser fängt bei Frauen schon an, wenn sie mehr als zwölf Gramm reinen Alkohol pro Tag konsumieren. Das entspricht beispielsweise einem Achtelliter Wein oder einem Glas Sekt. Laut aktuellem Epidemiologischen Suchtsurvey (ESA) trinken 14,3 Prozent der Frauen in Deutschland riskant. Bei den Männern sind es 15,2 Prozent, wobei die riskante Trinkmenge für Männerkörper laut aktueller Definition bei 24 Gramm Reinalkohol pro Tag beginnt. Vier Jahre zuvor lagen diese Werte noch bei 13,8 Prozent (Frauen) und 18,2 Prozent (Männer).
Mentale und psychische Gesundheit: Zusammenhang berücksichtigen
Was viele nicht wissen: Stoffbezogene Suchterkrankungen stehen oft im Zusammenhang mit anderen psychischen Störungen und Problemen. Dies betrifft besonders häufig Depressionen – entweder als Folge der Abhängigkeit oder als Ursache, dass überhaupt zu Alkohol oder auch Medikamenten und Stimmungsaufhellern gegriffen wird. Gut die Hälfte aller Frauen mit einer Alkoholsucht leiden auch an einer Depression, bei der es zu einer fehlerhaften Ausschüttung von Neurotransmittern – insbesondere von Glückhormonen wie Serotonin – im Gehirn kommt. Grundsätzlich erhalten Frauen die Diagnose häufiger als Männer. Dies hat laut Studien verschiedene Ursachen: darunter Erziehungsmethoden und erlernte Rollenbilder, später die Doppelbelastung in Beruf und Familie, bei häufig noch schlechterer Bezahlung und weniger Wertschätzung am Arbeitsplatz. Die höhere Vulnerabilität von Frauen hinsichtlich Depressionen wird auch auf einen Mangel an sozialem Rückhalt zurückgeführt. Des Weiteren liegen Berichte vor, dass damit Erfahrungen häuslicher Gewalt und sexueller Übergriffe assoziiert sind.
Teufelskreis durchbrechen
Möglichst „unauffällig“ ihren Alltag und die Antriebsarmut zu kaschieren ist mitverantwortlich für die seit Jahren steigenden Zahlen, was den medikamentenmissbräuchlichen Konsum durch Frauen anbelangt. So geraten Frauen zunehmend in den Kreislauf kaum aushaltbarer Scham- und Schuldgefühle, die Alternative wird im weiteren Konsum gesehen. Und: Allein die noch immer bestehenden gesellschaftlichen Erwartungen lassen Frauen nach wie vor eher daheim „im stillen Kämmerlein“ konsumieren. Dies führt auch dazu, dass viele Betroffene den Schritt in Richtung professionelle Hilfe scheuen. Frauen, in deren Leben die Sucht dominiert, können sich an Suchtberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen wenden. Auch Entzugskliniken können gute Ansprechpartner sein. Wichtig ist, dass eine depressive Störung von Beginn an mitbehandelt wird. Empfehlenswert für die Entzugsbehandlung sind daher Kliniken für Doppeldiagnosen, die beide Krankheitsbilder – die Sucht und die psychische Erkrankung – parallel behandeln.
Quellen:
www.dhs.de/suchthilfe/suchtberatung
www.anonyme-alkoholiker.de/fragen-antworten
www.kenn-dein-limit.de/alkohol-tests
www.zi-mannheim.de/institut/news-detail/alkoholkonsum-frauen-ziehen-gleich.html
www.bapk.de/angebote/selbsthilfenetz-psychiatrie