Nach einem anstrengenden Arbeitstag pochende Kopfschmerzen: Wer kennt das nicht! Zurückzuführen zumeist auf Flüssigkeitsmangel, bestimmte Lebensmittel oder Stress. Schwören die einen auf viel Trinken oder starken Kaffee, greifen andere direkt zur Schmerztablette, um die lästigen Beschwerden in der Denkzentrale schnell wieder loszuwerden.
Wichtige Schutzfunktion
Aber warum hat es die Natur überhaupt eingerichtet, Schmerzen zu verursachen? Letztendlich stellen sie eine sinnvolle Schutzfunktion dar. Ob bei Schnittverletzungen oder Organproblemen wie einer Blinddarm- oder Zahnentzündung hilft der Schmerz, eine Störung aufzudecken. Es kommt zu akuten Schmerzen, die signalisieren: Abhilfe schaffen! Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Schmerz ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist. Mit „Sinneserlebnis“ ist laut Erläuterung der Deutschen Schmerzgesellschaft gemeint, dass der Schmerz als brennend, stechend, bohrend oder reißend empfunden werden kann. Der Begriff „Gefühlserlebnis“ geht dagegen auf die emotionalen Anteile des Schmerzes ein, der zum Beispiel als quälend, mörderisch oder erschöpfend beschrieben werden kann. Beide Aspekte im Erleben von Schmerz sind untrennbar miteinander verbunden.
Schmerzen: Zwölf Millionen Betroffene
Wie Daten der Statista Consumer Insights zeigen, sind Schmerzen in Deutschland das größte Gesundheitsproblem. 61 Prozent der hierzu Befragten gaben in der im Juni 2024 veröffentlichten Untersuchung an, in den vergangenen zwölf Monaten Rücken-, Kopf- oder andere Schmerzen gehabt zu haben. Die beruhigende Nachricht: Akute Schmerzen verfliegen nach wenigen Tagen oder Wochen von allein. Unangenehm wird es jedoch dann, wenn sie das nicht tun, also von Dauer sind und sich chronifizieren. Von chronischen Schmerzen ist dann die Rede, wenn die Schmerzen keine eindeutige körperliche Ursache haben und länger als sechs Monate andauern. Allein in Deutschland leiden mehr als zwölf Millionen Menschen an einer Form von chronischem Schmerz. Ob Rückenschmerzen, Migräne oder die Folgen von Gürtelrose: All diese Erkrankungen können das Leben massiv beeinträchtigen.
Lange Anfahrtswege
Ein Problem, das mit Schmerzen oftmals in Verbindung steht, ist die damit einhergehende eingeschränkte Mobilität. Gerade die täglichen Fahrten zur Therapie geraten zur unüberwindbaren Hürde, welche die Patientinnen und Patienten zusätzlich auslaugt. „Viele Betroffene können ein interdisziplinär multimodales Therapieangebot nicht in Anspruch nehmen, wenn sie zu weit entfernt wohnen, kein Auto, zu wenig Geld für tägliche Anfahrten, keine angemessene Anbindung an den ÖPNV haben oder schlichtweg zu erschöpft sind, um häufige Fahrten zu schaffen“, gibt Professor Dr. med. Frank Petzke, Präsidiumsmitglied der Deutschen Schmerzgesellschaft, zu bedenken.
Laut einer Datenanalyse von 1.000 Modellpatienten, die Experten der Deutschen Schmerzgesellschaft im Juni vergangenen Jahren präsentierten, beträgt die Anfahrt zu universitären Schmerzambulanzen zwischen 48 und maximal 161 Kilometer sowie zu vollstationären Einrichtungen zwischen 26 und 244 Kilometer. „Insbesondere mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist für 68 bis 75 Prozent der Betroffenen der Weg nur unrealistisch zu bewältigen“, so Petzke.
Hohe Kosten
Grundsätzlich sei es zentral, über die Entstehung von Schmerz aufzuklären und Betroffenen Wege daraus aufzuzeigen, betont Thomas Isenberg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft. Schmerz werde häufig unterschätzt, wodurch nicht nur die Lebensqualität erheblich gemindert wird, auch verursachen chronische Schmerzen hierzulande jährliche Kosten von rund 38 Milliarden Euro. „Es ist daher wichtig, Schmerzen frühzeitig zu behandeln“, so Isenberg. „Doch bei mehr als der Hälfte aller Menschen mit chronischen Schmerzen dauert es mehr als zwei Jahre, bis sie eine wirksame Schmerzbehandlung erhalten.“ Schnelles Handeln ist auch gefragt, um Schmerzgeplagte vor einer gewissen Behandlungsresistenz zu bewahren. Dies trifft vor allem dann zu, wenn sich bereits ein sogenanntes Schmerzgedächtnis im Nervensystem gebildet hat. In diesem Fall prägen sich die Nervenzellen den Schmerzreiz ein und lösen ihn auch aus, wenn gar kein Grund mehr dafür besteht. Eine Therapie ist dann schwierig, weswegen Fachleute stets zu einer schnellen fachmännischen Abklärung raten.
Schonen ist keine Lösung
Welche Rolle eine Schonhaltung spielt, hängt von der Art der Schmerzen ab. Schmerzen in bestimmten Situationen zu meiden, ist dann besonders sinnvoll, wenn ein Bruch oder eine Verstauchung vorliegt. Gibt es jedoch keine körperliche Ursache, kann solch ein Schonverhalten die Schmerzen sogar verschlimmern und zu einer Chronifizierung führen. Um sich zu schonen, ziehen sich viele Betroffene zurück und vermeiden soziale Kontakte, was jedoch zu weiteren Gesundheitsproblemen wie Depressionen oder Medikamentenabhängigkeit führen kann. Fest steht: Trotz Forschung, Entwicklung immer wirkungsvollerer Medikamente und Spezialisierung der Behandelnden kann die Therapie chronischer Schmerzen langwierig sein – ein gewünschter schneller Erfolg bleibt angesichts verschiedenster Gründe für Kopf- oder auch Rückenschmerzen in der Regel aus. Neueste Therapieansätze chronischer Schmerzen gehen oft weit über Standardmedikamente und operative Eingriffe hinaus. Vielmehr finden psychologische Schmerzbewältigung, Entspannungsübungen, Stressbewältigung, physikalische und manuelle Therapiemethoden Beachtung – für einen Alltag mit weniger Schmerzen und wieder mehr Lebensqualität.
Quellen:
Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.: Millionen Schmerzpatientinnen und -patienten nicht ausreichend versorgt
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V.: Geschlechteraspekte in der Schmerzmedizin stärker berücksichtigen