Hüftschmerzen, starke Schmerzen im unteren Rückenbereich oder Oberschenkel, Ausstrahlung ins Gesäß und Bewegungseinschränkungen: Bei diesen Beschwerden liegt die Verdachtsdiagnose „Bandscheibenvorfall“ nahe. Allerdings sind in weniger als zehn Prozent der Fälle die Puffer zwischen den einzelnen Wirbelkörpern Ursache für tiefsitzende Schmerzen im unteren Rückenbereich. Viel häufiger steckt ein anderer schmerzauslösender Übeltäter dahinter: das Iliosakralgelenk, auch Kreuz-Darmbein-Gelenk genannt. Das anatomisch komplexe Gelenk verbindet die Beckenschaufeln mit dem Kreuzbein und erfüllt bei fast allen Bewegungen belastungsausgleichende, stabilisierende Funktionen. Bereits kleine Dysbalancen oder Veränderungen des ISG können starke Schmerzen verursachen. Aktuelle wissenschaftliche Studien beschreiben eine Beteiligung des ISG bei bis zu 30 Prozent der Fälle von Rückenschmerzen. Bei voroperierten Patientinnen und Patienten ist sogar von bis zu 40 Prozent die Rede.
Schmerzen im Rücken: Verschiedene Ursachen
Das ISG wird im Becken von einem starken Bandapparat gehalten und verfügt nur über eine minimale Beweglichkeit. Schon kleine Veränderungen durch Belastung auf die Bänder und Muskelfasern können zu starken Verspannungen führen. Man spricht vom sogenannten ISG-Syndrom. Häufig verstärkt sich der Schmerz zum Beispiel beim Aufrichten aus gebückter Haltung. Das ISG kann aufgrund von Fehlbelastungen, Beinlängendifferenzen, Schwangerschaften, Traumata oder vorhergehenden Operationen an der Wirbelsäule schmerzhafte degenerative Veränderungen entwickeln. Manchmal reicht schon ein kleines Trauma wie ein falscher Schritt vom Bordstein, um das ISG aus der Balance zu bringen. Da hier besonders viele Nervenbahnen zusammenlaufen, kann eine ISG-Instabilität auch in weit entfernten Körperregionen Schmerzen auslösen.
Unterdiagnostiziertes Problem
Eine detaillierte Diagnose – etwa mithilfe spezieller physikalischer Provokationstests und anschließend einer diagnostischen Infiltration unter Röntgenbildwandlerkontrolle – ist notwendig, um das ISG als Schmerzgenerator zu bestätigen oder auszuschließen. Leider wird es bei der Diagnose von Rückenschmerzen oft nicht explizit in Betracht gezogen. Tatsächlich ist das ISG das am häufigsten unterdiagnostizierte Gelenk an der Wirbelsäule – auch weil es radiologisch schwerer zu erfassen ist als zum Beispiel eine instabile Lendenwirbelsäule oder ein Bandscheibenvorfall.
Therapie: multimodaler Ansatz
Gilt eine Instabilität im ISG diagnostisch als gesichert, wird zunächst die konservative Therapie, die Schmerzmittel, Physio- und Bewegungstherapie sowie manuelle Therapie umfasst, eingeleitet. Bringen diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg, kommen interventionelle Verfahren wie Infiltrationen mit Kortikoiden und Lokalanästhetika oder die Radiofrequenztherapie in Betracht, um Schmerzlinderung zu verschaffen. Da die Ursachen und Beschwerden des ISG-Syndroms sehr unterschiedlich sein können, wird oft ein kombinierter Ansatz gewählt, um die besten Ergebnisse zu erzielen.
Als letztes Glied in der Behandlungskette kommen spezielle ISG-Implantate, mit denen das Gelenk dauerhaft stabilisiert wird, infrage. Wichtig ist, wie bei allen chronischen Schmerzerkrankungen, dass die Therapie individuell auf die Bedürfnisse und Lebensumstände der betroffenen Person abgestimmt wird.